Schüler:innen werden zu Projektmanager:innen und vergrößern ihren Handprint
Wenn es ums Thema Nachhaltigkeit geht, denken viele sofort an den individuellen ökologischen Fußabdruck, den ich möglichst verringern soll. Mit „Carbon Footprint“-Rechnern können wir online ausrechnen, wie viel CO2 wir im Jahr produzieren (im Schnitt zehn Mal mehr als wir dürften, um klimaneutral zu leben). Was viele nicht wissen: Die CO2-Rechner gehen auf eine Marketingstrategie des britischen Ölkonzerns BP zurück, der damit – durchaus erfolgreich – das Verantwortungsbewusstsein für das steigende CO2-Aufkommen auf die individuelle Ebene und damit von fossilen Strukturen und Konzernen ablenken wollte: https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/nachhaltigkeit/co2-fussabdruck-carbon-footprint-shell-exxon-bp-taeuschung-klima-100.html
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt das Konzept des Handabdrucks, das auf eine indische Schülerin zurückgeht: Der „Handprint“ steht für die Summe meines gesellschaftlichen Engagements für eine – ökologisch, aber auch sozial – nachhaltigere Welt https://www.germanwatch.org/de/handprint . In diesem Sinne haben … Schüler:innen im Rahmen ihres Ethik-Unterrichts über einen Zeitraum von acht Wochen hinweg in insgesamt neun Projektgruppen an der Vergrößerung ihres sozial-ökologischen Handabdrucks gearbeitet.
Ausgehend von einer selbstgewählten „Ungeheuerlichkeit der Gegenwart“ – etwa Armutsbetroffenheit durch Inflation, Vermüllung der Meere durch Plastik, rassistische Alltagsdiskriminierung, Lebensmittelverschwendung, sexueller Missbrauch – haben die Schüler:innen nach einer thematischen Recherche jeweils eine Initiative (NGO/Non-Governemental Organisation) gefunden, die sich bereits diesem Thema widmet, überwiegend im Raum Ludwigsburg. Die Gruppen haben Kontakt zu „ihrer“ NRO aufgenommen, ein Interview geführt, und im Folgenden versucht, ihrem Thema und ihrer NGO zusätzliche Reichweite zu verschaffen.
Im Sinne eines Informationshandelns wurden aussagekräftige instagram-Accounts zu den Themen und den Aktivitäten gestaltet. Dazu setzten sich die Schüler:innen mit dem „AIDA“-Prinzip („Attention, Interest, Desire, Action“) auseinander und wandten diese Strategie in ihren Posts an. Eine Gruppe generierte über die Plattform „GoFundMe“ über 600 Euro Spenden für eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Rechte der indigenen San-Minderheit in Südafrika stark macht und dort unter anderem Schulen baut. Eine andere Projektgruppe wandte sich mit Forderungen zum Umgang mit Lebensmittelverschwendung in einem Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Zu den „Tafeln“ entstand ein Dokumentarfilm, der auf YouTube angeschaut werden kann: https://www.youtube.com/@nohunger
Entlang des Projekts lernten die Schüler:innen die Basics des Projektmanagements kennen oder vertieften bereits vorhandene Kenntnisse, etwa durch das Arbeiten mit einem GANNT-Diagramm zur Terminplanung. Einzelne Gruppen nutzten auch digitale Arbeitsplattformen für ihre Zusammenarbeit.
Am Ende hatten die Ethikschüler:innen auf ganz unterschiedlichen Ebenen dazugelernt und dies in ihren individuellen Reflexionsberichten in Worte gefasst (Auszüge):
„Ich habe mich außerdem getraut eigene Ideen zu äußern, was mir bisher im Zusammenhang mit Gruppenarbeiten Schwierigkeiten bereitet hat.“
„Als wir beschlossen hatten, den Brief [an den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir] zu schreiben und ihn auch abzuschicken, also an jemanden in einer viel höheren Position, gab mir das das Gefühl, etwas bewirken zu können.“
„Weiter motiviert zu bleiben war für mich nicht leicht […]. Doch wir diese erste schwere Phase überstanden hatte, wurde mir klar, dass es nicht immer direkt super laufen kann und Dinge manchmal einfach ihre Zeit brauchen, egal wie sehr man sich bemüht oder wieviel Arbeit man leistet.“
„Ich glaube, dass das auch eine meiner Stärken ist: Mir liegt es, einzuschätzen wo man mehr oder wo weniger Zeit investieren muss, und wer für welche Aufgaben gut geeignet seien könnte.“
„Wie initiiert man den ersten Impuls und wie erhält man diese Bewegung?“
„Ich muss unser Projekt nicht völlig von meiner Bewusstseins-Liste streichen, nur weil es vorbei ist. Ich hoffe, dass ich auch in der Zukunft immer mal wieder ein wenig Zeit beiseite nehmen kann, um den Insta-Account up-to-date zu halten.“
„Wir haben von selbst durch unser Handeln gelernt – learning by doing.“
„Nach der ganzen Arbeit, die wir geleistet haben, haben wir echt eine kurze Pause und einen Klopfer auf den Rücken verdient. Unsere Meilenstein-Feier war ein Highlight für mich.“
„Ich habe oft Probleme, neue Personen in eine bereits etablierte Gruppe willkommen heißen zu lassen, aber ich glaube, ich habe mir viele Mühe gegeben, … in unser Projekt einzuarbeiten und ihr oder ihm eine wichtige Rolle zuzutrauen.“
„Ich habe eine ganz neue Seite der Welt quasi gesehen, da ich mich noch nie wirklich mit SDGs oder NGOs auseinandergesetzt habe.“
„Ich habe während das Projektes gemerkt, dass eine gute Kommunikation essenziell ist.“
„Ich finde selber, ich sollte mehr Motivation in solche Projekte stecken und mehr für meine Gruppe tun, weil wir haben nicht so viel geschafft in den acht Wochen. Das lag auch daran, dass wir nur während der Ethik Stunden gearbeitet haben. Ich habe das ganze Projekt bis ans Ende rausgeschoben und hatte letztendlich dann nicht so großen Spaß da dran.“
„Wenn ich auf unsere Gruppenarbeit zurückblicke, fällt mir auf, dass wir die Rollen fester einteilen hätten sollen. Manchmal war es echt frustrierend, andere an ihre Aufgabe zu erinnern. Deshalb nehme ich mir fürs nächste Mal vor, nicht alles selbst zu übernehmen, wenn andere es nicht schaffen, weil ich damit klarkommen muss, nicht alles kontrollieren zu können.“